Augustdorf.
Keine Frage: Berufswahl ist nicht einfach. Da überlegt man hin und her, und kommt oft doch nicht weiter. Berufsberater empfehlen dann dringend, ein Praktikum zu machen. Auch in der Schule sind Praktika feste Bestandteile des Lernens. René Marquardt aus Augustdorf, inzwischen 18 Jahre alt, und Azubi im ersten Lehrjahr bei Tischlerei Wißbrok am Ort, besuchte seinerzeit die Erich-Kästner-Hauptschule. Insgesamt drei selbst gesuchte Tagespraktika standen auf dem Lehrplan: „Ich war im Kindergarten, beim Tierarzt, und in einer Autowerkstatt“, erzählt der junge Mann, „aber das war alles nichts für mich.“ Also das nächste dreiwöchige Praktikum dann beim Vater machen?! – einem Metaller?! Das konnte sich René Marquardt auch nicht richtig vorstellen.
Berufsberater empfehlen, sich bei der Praktikumswahl an den Freizeitbeschäftigungen zu orientieren, um auf Ideen zu kommen. Schon Zuhause hatte René schon viel mit Holz gewerkelt, im Wald gesägt und Brennholz gehackt. Also ging es im November 2016 für drei Wochen in die Augustdorfer Tischlerei Wißbrok. Nach den drei Wochen hatte der junge Mann nicht nur eine Holzfußbank fertig, sondern auch gleich seine Bewerbungsunterlagen als Tischler-Azubi im Betrieb. „So kann es gehen“, schwärmt Chef Jens Wißbrok, der fest davon überzeugt ist, dass ein Praktikum beiden Parteien gute Dienste leistet. „Die jungen Leute erkennen recht bald, welche Arbeiten hinter einem Berufsbild stecken. Und ich merke in zwei, drei Tagen, ob der Bewerber menschlich zu uns ins Team passt und handwerklich begabt ist. Das war hier von Anfang an absolut der Fall.“
Der Arbeitgeber ist derart begeistert von Renés praktischen Leistungen und seinen Umgangsformen, dass er ihn – trotz mäßiger schulischer Leistungen – in Ausbildung nimmt. Doch eine Sorge bleibt, nämlich die Berufsschule. „Es macht ja auch keinen Sinn, wenn man praktisch top ist, und die Berufsschule nicht schafft und am Ende der Ausbildung die Gesellenprüfung im theoretischem Teil nicht besteht und ohne Gesellenbrief dasteht“, gibt Jens Wißbrok zu bedenken. Reha-Beraterin Corinna Wiesbrock wusste Rat: Um die schulischen Lücken aufzuarbeiten, und den Stoff an der Berufsschule kontinuierlich zu vertiefen, nimmt René Marquardt an der von der Detmolder Arbeitsagentur geförderten „berufsbegleitenden Ausbildung“ (bbA) im SOS-Kinderdorf teil. „BbA“ ist im Prinzip eine pädagogische Unterstützung, um den Ausbildungserfolg zu sichern“, erläutert die Reha-Beraterin. So trifft sich René immer montags mit Bärbel Tödtmann, SOS-Sozialpädagogin. „Vor dem Stützunterricht unterhalten wir uns, ob es Probleme oder Schwierigkeiten jedweder Art gibt. Falls dem einmal so sein sollte, kann ich als Partner im Ausbildungsprozess hoffentlich sinnvoll eingreifen.“ Doch bisher läuft alles nach Plan.
Der junge Mann hat inzwischen einen Maschinenkurs besucht, und kann seither an Kreis- und Kappsäge arbeiten, was die Ausbildung noch vielfältiger macht. Und was schon jetzt mögliche weitere Pläne?! „Die Ausbildung gut zu Ende bringen, gerne noch ein paar Jahre im Betrieb arbeiten, und wenn es sich ergibt vielleicht den Meister oder Techniker machen“, so Marquardt. Chef Jens Wißbrok ist ohnehin davon überzeugt, dass das Handwerk in Zukunft noch viel mehr goldenen Boden unter den Füßen haben wird. „Angesichts der zunehmenden Digitalisierung werden in den ganzen verwaltenden Berufen in den nächsten Jahren massiv Arbeitsplätze verloren gehen. Gut ausgebildete Fachkräfte werden im Handwerk gesucht und werden auch zukünftig einen sicheren und guten Arbeitsplatz haben.Nur die eigene Ausbildung im Haus schützt vor eigenem Fachkräftemangel. Das wissen wir, und deshalb sind wir auch froh, dass wir mit René einen Glückgriff hatten. Er hat von Anfang an klare Kante gezeigt, dass er diesen Berufs unbedingt und erfolgreichen machen möchte.“ Ach ja, Marquardt Lieblingsholz ist übrigens Buche, ein „sehr schönes Hartholz“, zäh und lange haltbar.